Finanzmarktausblick 1. Quartal 2024

Weltwirtschaft im Soft Landing-Modus

  • Deutliche Abkühlung des Wirtschaftswachstums
  • Weltweit sinkende Inflationsraten, Zinswendepunkt erreicht
  • Breit abgestützte Markterholung - Ölpreis bewegt sich
  • Ende der Dollar-Stärke
Matthias Wirz
«Mit dem Rückgang des allgemeinen Zinsniveaus ist die wichtigste Voraussetzung für weiter steigende Aktien- und Obligationenmärkte in den nächsten Monaten erfüllt.» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

In den USA wird sich das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr deutlich abkühlen und demzufolge - wenngleich mit erheblicher Verzögerung - auf den heute noch engen Arbeitsmarkt durchschlagen. Dies zeigt sich in der Zahl offener Stellen, welche in den letzten 12 Monaten mit zwei Ausnahmen stetig von 10.5 Mio. auf 8.7 Mio. Ende Oktober gefallen ist. Ein anderer Frühindikator für die mittelfristige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe, steigen seit einigen Monaten zwar nur langsam, aber kontinuierlich an. Die amerikanische Notenbank (FED) dürfte zudem erleichtert zur Kenntnis genommen haben, dass sich das Lohnwachstum bei rund 4% stabilisiert und die befürchtete Lohn-Preis-Spirale bislang ausgeblieben ist.

Die Abkühlung der weltweiten Wirtschaftsaktivität, insbesondere in der Industrie, ist auch in China spürbar. Die Einkaufsmanagerindizes für Industrie und Dienstleistungen sind im November entgegen den Erwartungen nicht gestiegen, sondern leicht von 49.5 auf 49.4 resp. 50.6 auf 50.2 gefallen. Somit hält sich der Dienstleister-Index - wie auch im Rest der Welt - noch knapp oberhalb der Expansionsmarke.

Die europäischen Länder wiederum befinden sich längst in einer «milden» Rezession, zurückzuführen auf hohe Energiepreise und der abnehmenden Investitionstätigkeit infolge höherer Leitzinsen der Europäische Zentralbank (EZB). Dabei stagniert Deutschland als grösste Volkswirtschaft seit dem 2. Quartal 2022 mit Wachstumsraten zwischen -0.4% und +0.1%.

Insgesamt hat das «Soft-Landing-Szenario», welches von einer Abnahme der globalen Wirtschaftsaktivität ausgeht - nicht aber von einer Rezession - erheblich an Wahrscheinlichkeit hinzugewonnen. Gleichzeitig bilden sich die Teuerungsraten unverkennbar in Richtung des 2% Zieles der Notenbanken zurück, woraus sich im Verlaufe des nächsten Jahres Spielraum für Leitzinssenkungen ergibt.


Unsere Anlagepolitik

Konjunkturdaten:

Mit dem Rückgang des allgemeinen Zinsniveaus sind die Voraussetzungen für weiter steigende Aktien- und Obligationenmärkte in den nächsten Monaten erfüllt. Zudem sind abnehmende Kreditrisikoprämien bei Hochrisikoanleihen und geringe Schwankungen an den Aktienmärkten bedeutende Indizien für die erhöhte Zuversicht der Anleger.

Deutliche Übergewichtung von Aktien 

Die sinkende Risikoaversion der Investoren wird voraussichtlich im ersten Quartal zu wachsenden Zuflüssen in Aktienanlagen führen. Zudem scheinen die Aktienmärkte die bevorstehende Lockerung der Geldpolitik noch nicht vollständig berücksichtigt zu haben. Die tief bewerteten Sektoren «Nicht-zyklischer Konsum» und «Gesundheit/Pharma» haben nach einem schlechten Jahr 2023 Aufholpotenzial. Bei Kursrückgängen können die höher bewerteten Sektoren "Technologie" und "Zyklischer Konsum" weiterhin zugekauft werden.

Mittlere Laufzeiten von Obligationen sind aufgrund rückläufiger Inflationserwartungen attraktiv

Die mittel- und langfristigen Renditen werden bei aktuell höheren Geldmarktzinsen eher fallen. Es ergeben sich damit Chancen auf Kursgewinne bei Anleihen mit 4 bis 7-jährigen Laufzeiten und guter Bonität.

Die Immobilienfonds sind günstig bewertet

Die börsenkotierten Immobilienfonds haben erst mit erheblicher Verzögerung auf das sinkende Zinsumfeld reagiert. Die Bewertung ist mit einem historisch geringen Aufpreis von durchschnittlich 5% zum inneren Wert (Agio) und einer Rendite von über 3,0% im Vergleich zu 0,6% der 10-jährigen Bundesanleihe (Eidgenossen) attraktiv. Eine markant geringere Bewertung der Immobilien ist aufgrund des niedrigeren Zinsniveaus nicht zu erwarten.

Edelmetalle und Rohstoffe: Gold mit Potenzial

Da der Nahost-Konflikt nicht weiter eskaliert, ist die politische Risikoprämie auf dem Ölpreis gesunken. Schwache Konjunkturdaten aus China und die fallende Benzinnachfrage in den USA belasten den Ölpreis, sodass die Energiepreise in den nächsten Monaten kaum stark ansteigen dürften. Gold wird von fallenden Zinsen und einem schwächeren USD sowie beständigen Käufen der Zentralbanken Chinas und Russlands als Anlagethema profitieren.

Dominik Nussbaumer
«Gold profitiert von fallenden Zinsen, einem sich abschwächendem US-Dollar und den beständigen Käufen verschiedener Zentralbanken.» Dominik Nussbaumer, Geschäftsleitung, Partner

Währungen: Die Dollaraufwertung geht zu Ende

Aufgrund der Erwartung abnehmender Zinsdifferenzen gegenüber dem JPY, EUR und CHF hat die Dollarstärke handelsgewichtet erheblich nachgelassen. Im nächsten Jahr sollten daher EUR und CHF an Wert gewinnen, ebenso der JPY, der von der Abkehr der Bank of Japan von der ultra-expansiven Geldpolitik begünstigt wird.

Alternativen zu unserer Anlagestrategie und Hauptszenario

Das Hauptszenario hat zuletzt wieder an Gewicht gewonnen, während die Wahrscheinlichkeit für das negative Szenario abgenommen und das positive Szenario zugenommen hat.

Negatives Szenario: Rezession / Stagflation (Eintretenswahrscheinlichkeit gering)

Obwohl die Teuerungsraten weltweit aufgrund der rückläufigen Energie- und Nahrungsmittelpreise deutlich gefallen sind, bleiben die Kernraten hartnäckig über dem Zielbereich der Notenbanken. Aufgrund der niedrigen Arbeitslosigkeit besteht weiterhin die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Die Zentralbanken werden entgegen den Markterwartungen ihre Leitzinsen nur geringfügig und frühestens ab der zweiten Jahreshälfte senken, wodurch die langfristigen Zinsen erneut kräftig ansteigen. Das bisher am Markt vorherrschende Soft Landing-Szenario wird durch den immer stärker werdenden Konjunkturabschwung und entsprechende Rezessionsszenarien abgelöst. Dadurch weiten sich die Kreditrisikoprämien an den Anleihemärkten aus, begleitet von einer deutlichen Korrektur an den Aktienmärkten. Im Gegensatz dazu verzeichnen «sichere Häfen» wie Staatsanleihen mit guter Bonität, Gold sowie die Währungen CHF und JPY Kursgewinne. 

Wir halten ein solches Szenario für möglich, aber aus heutiger Sicht ist die Eintrittswahrscheinlichkeit gering.

Positives Szenario: rascher Aufschwung (Eintretenswahrscheinlichkeit sehr tief)

Hierbei sinken die Inflationsraten auf breiter Basis, weshalb auch die Kernraten zeitnah in den Zielbereich der Notenbanken fallen. Dem drohenden Konjunkturabschwung können die Zentralbanken deshalb mit frühzeitigen und mehreren, kräftigen Leitzinssenkungen entgegenwirken. Die rasche Lockerung der Geldpolitik führt ausserdem zu weiter sinkenden Langfristzinsen, welche wiederum einen positiven Konjunkturimpuls auslösen. Die steigende Zuversicht der Industrie und Konsumenten verstärkt die wirtschaftliche Erholung, sodass risikobehaftete Anlagekategorien durch die Anleger wieder vermehrt nachgefragt werden. Dabei stehen insbesondere zyklische Anlagekategorien und Rohstoffanlagen im Vordergrund, wozu auch Immobilienanlagen zu zählen sind.

Aus heutiger Sicht ist dieses Szenario eher unwahrscheinlich.

Matthias Wirz, 16. Januar 2024