Reformen im Schweizer Vorsorgesystem

Das Schweizerische Vorsorgesystem steht vor substanziellen Herausforderungen. Die demografische Entwicklung führt zu einer stetig alternden Bevölkerung, was die Finanzierung der Renten erschwert. Gerade der Eintritt der geburtenstarken «Baby Boomer»-Jahrgänge ins Rentenalter beschleunigt diesen Trend zusätzlich. Das heutige System nimmt ausserdem wenig Rücksicht auf flexible Arbeitszeitmodelle.

Das in den letzten Jahren dominierende Problem der tiefen, bzw. negativen Kapitalmarktzinsen hat sich mittlerweile etwas entschärft. Dennoch bleibt die Erwirtschaftung einer nachhaltig positiven Rendite zur Erfüllung der Rentenverpflichtungen für viele Vorsorgeeinrichtungen eine Herausforderung und es droht die Gefahr, dass die aktiven Versicherten mit ihren Beiträgen und Minderverzinsungen Rentner mitfinanzieren (müssen).

Reformstau

Seit Jahren werden politische und ökonomisch motivierte Debatten über die Nachhaltigkeit des heutigen 3-Säulen-Systems geführt, welches - anders als in vielen Ländern - die Eigenverantwortung der Versicherten hoch gewichtet. Die Komplexität des Systems mit staatlichen und privaten Akteuren sowie einer Vielzahl von Interessen, Möglichkeiten, Regelungen und Vorschriften, macht es für viele Bürger schwer verständlich. Substanzielle Reformen der Vorsorge sind politisch deshalb kaum mehr durchsetzbar. Dies führt dazu, dass auch sinnvoll und notwendige Anpassungen an der Urne abgelehnt und die Möglichkeiten zur Optimierung der eigenen Vorsorge nicht genutzt werden.

Nach der vom Volk im September 2022 genehmigten Reform AHV 21 - hier ging es primär um die Sicherung der Finanzierung der 1. Säule bis 2030 - kommt nun im Jahr 2024 die BVG Reform 21 vor das Volk. Mit der Senkung des Umwandlungssatzes im BVG-Obligatorium, der Senkung der Eintrittsschwelle und der Vereinfachung der gesetzlich definierten Altersgutschriften mit einer reduzierten Belastung bei den ältesten Arbeitnehmenden, führt die vorgeschlagene Revision in die richtige Richtung, löst aber die Probleme nicht nachhaltig.

Möglichkeiten des Arbeitnehmers

Wie können Arbeitnehmer ihre eigene Vorsorge mit den aktuellen Rechtsgrundlagen optimieren?

  • Jährliche Einzahlungen in die Säule 3a
    Hier empfehlen wir für längere Sparphasen unbedingt (kostengünstige) Wertschriften­lösungen und für den späteren steueroptimierten Bezug 2 - 3 separate Konti zu führen.
  • Nutzung von steuerbegünstigten freiwilligen PK-Einkäufen z.B. nach Stellenübertritten, Lohnanpassungen, Scheidungen.
  • Vertiefte Prüfung des «Vorsorgepaketes» und dessen Mitberücksichtigung bei einem Stellenwechsel. Siehe nächster Abschnitt mit möglichen Beurteilungskriterien.
  • Vorbezug oder Aufschub von Rentenleistungen bei vorzeitiger Erwerbsaufgabe oder bei Weiterführung der Erwerbstätigkeit über das ordentliche Rentenalter hinaus. Hier ist das PK-Reglement des Arbeitgebers zu beachten.
  • Anlage von Freizügigkeitsleistungen in der Säule 2:
    Bei vorhandenen Freizügigkeitsleistungen sollten diese genau wie die Gelder der Säule 3a angelegt werden bzw. «ordentlich» verzinst werden. Die aktuellen Zinssätze für Kontolösungen sind äusserst unattraktiv.

Der freiwillige Einkauf in die Pensionskasse: Was es zu beachten gilt

Wird ein freiwilliger Einkauf in die Pensionskasse in Betracht gezogen, sollten folgende Beurteilungskriterien und Fragen für den Entscheid herangezogen werden:

1. Wie hoch ist die maximale Einkaufssumme gemäss Vorsorgeausweis?
    Den Betrag gegebenenfalls von der Vorsorgeeinrichtung auf Korrektheit bestätigen lassen.
2. Soll später eine Rente oder Kapital bezogen werden?Siehe dazu auch unseren
    Newsletter-Beitrag vom 30.09.2022.
3. Wie viele Jahre stehen maximal für den gestaffelten Einkauf zur Verfügung?Hier ist u.a. zu
    berücksichtigen, ob ein späterer Kapitalbezug geplant ist, da dann eine Sperrfrist für die 3 Jahre vor
    dem Bezug zu beachten ist.
4. Wie steht es um die Qualität und das Leistungsniveau der aktuellen BVG-Lösung?
     a) Wie hoch ist der aktuelle Deckungsgrad?
     b) Wie hat sich der Deckungsgrad in der Vergangenheit entwickelt?
     c) Wie hoch ist der für mich relevante aktuelle Umwandlungssatz?
     d) Ist die Verzinsung der Altersguthaben marktüblich?
     e) Auf welchen versicherungstechnischen Grundlagen basiert die Vorsorgestiftung aktuell?

Aus unserer Erfahrung wird den Fragen unter dem dritten und vierten Punkt in der Praxis häufig zu wenig Rechnung geschenkt, weil die Steueroptimierung im Vordergrund steht. Ob ein Einkauf in eine Pensionskasse sinnvoll ist, ist einerseits abhängig vom aktuellen Alter, dem absehbaren Mittelbedarf, der erwarteten Verzinsung auf dem Sparkapital im Vergleich zur Rendite auf dem nicht gebundenen Vermögen und den Einkommens-, Vermögens- und Kapitalauszahlungssteuern. Unter Berücksichtigung aller Faktoren ist die Einzahlung in eine Pensionskasse oft nicht die beste Lösung.

Dies lässt sich am besten in einem Beratungsgespräch mit uns individuell klären. Freiwillige Einkäufe müssen der Vorsorgeeinrichtung übrigens proaktiv angemeldet werden und in der Regel bis Mitte Dezember erfolgen, damit sie garantiert im jeweiligen Steuerjahr dem Vorsorgekonto gutgeschrieben werden. Gerade weil sich die rechtlichen Rahmenbedingungen verändern, beantworten wir gerne Ihre Fragen zu Ihrer aktuellen Vorsorgelösung und überprüfen Ihre Vorsorgesituation auf Wunsch umfassend.

Martin Wegmüller, 15. Januar 2024